Deutsch Deutsch
Startseite Artikel Über mich

Mehr als nur Nahrung: Stillen und seine lebenswichtigen Vorteile für Mutter und Kind

Psychische Gesundheitsstörungen betreffen weltweit Millionen von Menschen und haben durch die COVID-19-Pandemie eine zusätzliche Verschärfung erfahren. Insbesondere in Krisenregionen, aber auch in entwickelten Ländern, leiden viele Betroffene unter Stigmatisierung und gesellschaftlicher Vernachlässigung. Während der Umgang mit psychischen Erkrankungen zunehmend in den Fokus rückt, wird ein oft unterschätzter Aspekt der Gesundheit hervorgehoben: die Bedeutung des Stillens. Stillen ist nicht nur eine essentielle Nahrungsquelle für Babys, sondern spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung der physischen und psychischen Gesundheit von Mutter und Kind.

Stillen – Ein Schutzschild für die mütterliche Gesundheit

Das Stillen bietet Müttern zahlreiche gesundheitliche Vorteile, insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung des Risikos postpartaler Depressionen. Postpartale Depressionen betreffen mit einer Inzidenz von 39% eine erhebliche Anzahl von Müttern, doch Stillen kann dabei helfen, das Risiko zu verringern, indem es das Selbstvertrauen der Mutter stärkt und eine enge emotionale Bindung zum Kind fördert. Hierbei spielen Hormone wie Oxytocin und Prolaktin eine zentrale Rolle.

Oxytocin, auch als „Bindungshormon“ bekannt, fördert das Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit, verringert Stress und unterstützt die Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse. Dieses Hormon hilft der Mutter nicht nur, emotionale Bindungen zum Kind aufzubauen, sondern verbessert auch ihre Fähigkeit, die nonverbalen Signale des Babys besser wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Durch die gesteigerte Wahrnehmung und das bessere Verständnis der Bedürfnisse des Kindes kann die Mutter gezielter auf deren emotionale und physische Bedürfnisse eingehen.

Prolaktin, das die Milchproduktion anregt, hat darüber hinaus eine beruhigende Wirkung auf die Mutter. Es stärkt ihre mütterlichen Instinkte und fördert beruhigendes Verhalten wie das Halten und Kuscheln des Kindes. Diese hormonellen Reaktionen sind nicht nur für das Stillen entscheidend, sondern auch für das psychische Wohlbefinden der Mutter, indem sie emotionale Stabilität und ein stärkeres Gefühl der Kontrolle vermitteln.

Zudem berichten stillende Frauen von weniger Angst und Stress im Vergleich zu Müttern, die Flaschennahrung verwenden. Diese subjektiven Aussagen werden durch objektive physiologische Messungen unterstützt, die zeigen, dass stillende Mütter entspannter sind. Beispielsweise weisen sie eine bessere Herzfrequenzvariabilität, niedrigeren Blutdruck und geringere Stressreaktionen auf, was auf einen ruhigeren physiologischen Zustand hinweist. Auch die Cortisolreaktion auf sozialen Stress ist bei stillenden Müttern reduziert.

Für das Kind: Nähe, Geborgenheit und optimale Ernährung

Stillen stellt für das Kind eine einzigartige Kombination aus Nähe, Geborgenheit und optimaler Ernährung dar. Der Hautkontakt zwischen Mutter und Kind aktiviert natürliche Reflexe, die das Saugen und die Nahrungsaufnahme erleichtern. Diese Nähe fördert nicht nur das körperliche Wohl des Kindes, sondern hat auch weitreichende emotionale Vorteile. Ein zentraler Aspekt dabei ist der Blickkontakt zwischen Mutter und Kind während des Stillens, der mehr bei stillenden Müttern häufiger auftritt als bei Flaschenkindern.  Dieser Augenkontakt stärkt die Mutter-Kind-Bindung und trägt dazu bei, dass sich das Kind sicher und verstanden fühlt. Stillende Mütter interagieren häufiger mit ihren Säuglingen und sind aufmerksamer.

Gleichzeitig fördert diese Nähe die emotionale Regulation des Kindes und hilft, ein tiefes Gefühl von Sicherheit zu entwickeln. Es gibt Hinweise, dass der Blickkontakt während des Stillens positive neurobiologische Reaktionen im Gehirn des Kindes auslöst, die langfristig zu einer stabileren emotionalen und sozialen Entwicklung führen können. Langfristig tragen diese Erfahrungen dazu bei, dass gestillte Kinder oft einen sicheren Bindungsstil entwickeln, was bedeutet, dass sie in späteren Jahren besser in der Lage sind, sich selbst zu beruhigen und mit anderen zu interagieren. Sie entwickeln häufig eine größere soziale Kompetenz und ein stärkeres Vertrauen in ihre Umwelt.

Intellektuelle und kognitive Vorteile

Neben den emotionalen und physischen Vorteilen bietet Stillen auch signifikante kognitive Vorteile.  Gestillte Kinder  weisen im Vergleich zu Flaschenkindern eine verbesserte Gedächtnisleistung, fortgeschrittene Sprachentwicklung und stärkere Problemlösungsfähigkeiten auf. Besonders langes und häufiges Stillen im ersten Lebensjahr hat langfristig positive Auswirkungen auf die intellektuelle Entwicklung des Kindes.

Dies lässt sich auf spezifische Nährstoffe in der Muttermilch zurückführen, wie langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren (LC-PUFAs), die essenziell für das Wachstum und die Myelinisierung von Nervenzellen sind. Diese Nährstoffe unterstützen die Entwicklung des Gehirns und sind insbesondere in den ersten 18 Lebensmonaten von entscheidender Bedeutung, da sie die Entwicklung von Hirnstrukturen fördern, die für kognitive und soziale Fähigkeiten verantwortlich sind.

Ergänzende moderne Untersuchungsmethoden wie Elektroenzephalographie (EEG) und Magnetresonanztomographie (MRT) bestätigen diese Erkenntnisse. EEG-Studien haben gezeigt, dass die Myelinisierung von Nervenzellen – ein entscheidender Prozess für die Gehirnentwicklung – bei gestillten Kindern länger andauert. Diese verlängerte Myelinisierungsphase deutet auf eine intensivere Reifung des Gehirns hin. MRT-Studien wiederum haben ergeben, dass gestillte Kinder ein größeres Hirnvolumen und eine dickere Hirnrinde aufweisen, insbesondere in Bereichen des Gehirns, die mit höheren kognitiven und sozialen Funktionen verbunden sind, wie den Frontal- und Temporallappen.

Einfluss von Stillen auf die Verarbeitung sozialer Informationen

Stillen beeinflusst die Art und Weise, wie Kinder soziale Informationen verarbeiten. Gestillte Säuglinge zeigen eine verstärkte Aufmerksamkeit für positive emotionale Signale, wie fröhliche Gesichter, während sie weniger auf negative Signale, wie ängstliche oder wütende Gesichter, reagieren. Diese Unterschiede in der emotionalen Verarbeitung resultieren aus der Wechselwirkung zwischen genetischen Faktoren und der Erfahrung des Stillens. Ein wichtiger Faktor dabei ist das Oxytocin-System. Hormonelle Unterschiede tragen dazu bei, dass gestillte Kinder intensiver auf positive emotionale Reize reagieren und eine verbesserte soziale Informationsverarbeitung aufweisen.

Stillen und die Entwicklung von Autismus-Spektrum-Störungen (ASD)

Einige Hinweise deuten darauf hin, dass Kinder, die nicht oder nur kurz gestillt wurden, ein höheres Risiko für die Entwicklung von Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) haben. Dies hängt mit dem Fehlen des Kolostrums – der ersten, nährstoffreichen Milch, die das Immunsystem des Säuglings stärkt – zusammen. Allerdings gibt es auch Perspektiven, die einen direkten Zusammenhang zwischen Stillen und dem Auftreten von ASD in Frage stellen. Frühkindliche Verhaltensweisen, die eine spätere ASD-Diagnose beeinflussen, beeinträchtigt auch die Fähigkeit des Säuglings zum Stillen, was es erschwert, eine klare kausale Verbindung zwischen Stillen und ASD herzustellen.

Schlaf: Ein zentraler Faktor für die Gesundheit von Mutter und Kind

Stillen hat auch Einfluss auf die Schlafgewohnheiten von Mutter und Kind. Es wurde festgestellt, dass stillende Mütter im Durchschnitt 2,6 Stunden mehr Schlaf bekommen als Mütter, die ihre Babys mit der Flasche füttern. Diese Schlafgewinne sind besonders wichtig, da Schlafmangel mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für postpartale Depressionen verbunden ist. Studien haben gezeigt, dass Mütter, die nachts stillen, weniger Schlafverlust erleiden als solche, die auf Flaschennahrung zurückgreifen.

Ein Mangel an Schlaf, insbesondere während der Nacht, kann die körperliche und emotionale Gesundheit der Mutter erheblich beeinträchtigen und das Risiko für postpartale Depressionen erhöhen. Das Stillen trägt dazu bei, diesen Schlafverlust zu verringern, indem es eine engere Bindung zwischen Mutter und Kind schafft, was den Schlafzyklus stabilisiert und die Mutter beruhigt.

Darüber hinaus gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Schlaf und der Milchproduktion. Untersuchungen zeigen, dass ausreichender Tiefschlaf mit erhöhten Prolaktinspiegeln verbunden ist, die die Laktogenese, also den Beginn der Milchproduktion, unterstützen. Gestillte Mütter erleben signifikant längere Phasen des Tiefschlafs, was auf die hormonellen Veränderungen im Körper zurückzuführen ist. Diese hormonellen Schwankungen fördern nicht nur die Milchproduktion, sondern stabilisieren auch das psychische Wohlbefinden der Mutter.

Fazit: Stillen als Fundament für langfristige Gesundheit

Die Vorteile des Stillens gehen weit über die Nahrungsaufnahme hinaus. Es ist ein fundamentaler Beitrag zur körperlichen und geistigen Gesundheit von Mutter und Kind. Stillen fördert nicht nur die körperliche Entwicklung und das Wachstum des Kindes, sondern stärkt auch die emotionale Bindung zwischen Mutter und Kind, reduziert das Risiko postpartaler Depressionen und fördert die kognitive Entwicklung. Es ist von wesentlicher Bedeutung, die Bedeutung des Stillens in der öffentlichen Gesundheit und bei der Unterstützung von Müttern hervorzuheben, um die langfristige Gesundheit und das Wohlbefinden sowohl der Mütter als auch ihrer Kinder zu fördern.

Das Stillen spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung gesunder Familiendynamiken und legt die Grundlage für eine stabile und gesunde Zukunft. Es ist mehr als nur eine Ernährungsweise; Stillen ist ein wichtiger Schlüssel zu einer gesunden, glücklichen und erfolgreichen Entwicklung von Mutter und Kind.

Quellen:

Bugaeva, P., Arkusha, I., Bikaev, R., Kamenskiy, I., Pokrovskaya, A., El-Taravi, Y., Caso, V., Avedisova, A., Chu, D. K., Genuneit, J., Torbahn, G., Nicholson, T. R., Baimukhambetova, D., Mursalova, A., Kolotilina, A., Gadetskaya, S., Kondrikova, E., Zinchuk, M., Akzhigitov, R., … Munblit, D. (2023). Association of breastfeeding with mental disorders in mother and child: A systematic review and meta-analysis. BMC Medicine, 21(1), 393. Quelle

Krol, K. M., & Grossmann, T. (2018). Psychological effects of breastfeeding on children and mothers. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 61(8), 977–985. Quelle

Modak, A., Ronghe, V., & Gomase, K. P. (2023). The Psychological Benefits of Breastfeeding: Fostering Maternal Well-Being and Child Development. Cureus, 15(10), e46730. Quelle

Tosto, V., Ceccobelli, M., Lucarini, E., Tortorella, A., Gerli, S., Parazzini, F., & Favilli, A. (2023). Maternity Blues: A Narrative Review. Journal of Personalized Medicine, 13(1), 154. Quelle

Tucker, Z., O’Malley, C., Tucker, Z., & O’Malley, C. B. (2022). Mental Health Benefits of Breastfeeding: A Literature Review. Cureus, 14(9). Quelle