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Hörgeräte und Tinnitus: Wirksamkeit bei chronischem Tinnitus

Tinnitus beschreibt die Wahrnehmung von Geräuschen im Ohr oder Kopf ohne äußere Schallquelle. Weltweit sind etwa 10–20 % der Bevölkerung betroffen, bei älteren Menschen über 65 Jahre steigt die Prävalenz sogar auf bis zu 24 %. Epidemiologische Untersuchungen schätzen, dass jährlich rund 1 % der Erwachsenen neu an Tinnitus erkranken, wobei etwa 14 % der Erwachsenen zumindest gelegentlich Tinnitus erleben und 2 % unter einer schweren Form leiden. Die Prävalenz nimmt mit dem Alter zu: Nur etwa 10 % der jungen Erwachsenen sind von Tinnitus betroffen.

Der Begriff „Tinnitus“ leitet sich vom lateinischen Wort tinnin ab, was so viel wie „klingeln“ bedeutet. Betroffene beschreiben die Geräusche sehr unterschiedlich: von Klingeln über Summen und Klicken bis hin zu pulsierenden Tönen. Tinnitus ist dabei kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein Symptom, das häufig auf zugrunde liegende Störungen wie Hörverlust hinweist. Etwa ein Drittel der Menschen mit Hörverlust leidet zusätzlich unter Tinnitus, und in über 90 % der Fälle besteht ein direkter Zusammenhang zwischen beiden Erkrankungen. Schwerer Tinnitus kann die Lebensqualität deutlich einschränken, da die ständige Geräuschwahrnehmung Schlaf, Konzentration und Alltagsaktivitäten beeinträchtigt.

Hörgeräte stellen daher eine zentrale therapeutische Option dar: Sie verbessern nicht nur das Hören, sondern reduzieren Tinnitus durch Maskierung oder eine verbesserte auditive Stimulation. Moderne Geräte bieten zudem spezielle Klangtherapieprogramme, die Tinnitusgeräusche überdecken oder die Aufmerksamkeit umlenken und eröffnen so neue Möglichkeiten, die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.

Eine von Simonetti et al. (2022) durchgeführte Studie untersuchte 19 Erwachsene (10 Frauen, 9 Männer; Alter 32–62 Jahre, Durchschnitt 47,8 Jahre) mit chronischem Tinnitus seit mindestens sechs Monaten und einem leichten bis mittelgradigen beidseitigen sensorineuralen Hörverlust. Nach umfassender audiologischer Untersuchung erhielten die TeilnehmerInnen digitale Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte, angepasst an ihre Hörprofile, sowie eine individuelle Beratung zu Tinnitus und Gewöhnungsprozessen. Während der sechsmonatigen Beobachtungsphase fanden regelmäßige Nachkontrollen statt, bei denen die Geräte angepasst und die Nutzung überprüft wurde. Die tägliche Tragezeit stieg von durchschnittlich 7,2 Stunden im ersten Monat auf 9,1 Stunden im sechsten Monat.

Die Ergebnisse zeigten signifikante Verbesserungen: Der Tinnitus-Handicap-Index (THI) sank von mittleren 58 Punkten zu Beginn auf 34 Punkte nach sechs Monaten, während das Hearing Handicap Inventory for Adults (HHIA) und die Visuelle Analogskala (VAS) ebenfalls deutlich reduzierten (p < 0,001). Der minimale Maskierungspegel (MML) verringerte sich signifikant von 16,4 auf 13,9 dB (p = 0,047) und 47 %  der TeilnehmerInnen berichteten über eine Veränderung der wahrgenommenen Tinnitusfrequenz. Die Studie belegt, dass individuell angepasste Hörgeräte die Tinnitusbelastung deutlich senken, das Hörvermögen verbessern und die Lebensqualität erhöhen, was auf wiederhergestellte auditive Stimulation und zentrale neuronale Anpassungen zurückgeführt wird.

Quellen: 

Jarach, C. M., Lugo, A., Scala, M., van den Brandt, P. A., Cederroth, C. R., Odone, A., Garavello, W., Schlee, W., Langguth, B., & Gallus, S. (2022). Global Prevalence and Incidence of Tinnitus: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Neurology, 79(9), 888–900. Quelle

Simonetti, P., Vasconcelos, L. G., Gândara, M. R., Lezirovitz, K., Medeiros, Í. R. T. de, & Oiticica, J. (2022). Hearing aid effectiveness on patients with chronic tinnitus and associated hearing loss. Brazilian Journal of Otorhinolaryngology, 88(Suppl 3), S164–S170. Quelle