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Frühgeburten in Deutschland: Statistiken, Ursachen und Zukunftsaussichten

Jedes 12. Kind wird vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Überlebens- und Entwicklungschancen dieser Frühgeborenen deutlich verbessert. Eine Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche wird als Frühgeburt bezeichnet. In Westeuropa überleben Frühgeborene in der Regel ab der 23. bis 24. Schwangerschaftswoche. Es gibt zusätzliche Klassifikationen nach Geburtsgewicht: <2500 g (niedriges Geburtsgewicht, LBW), <1500 g (sehr niedriges Geburtsgewicht, VLBW) und <1000 g (extrem niedriges Geburtsgewicht, ELBW). 2017 lag der Anteil der Frühgeborenen in Deutschland bei 8,6 % aller Neugeborenen; etwa 20 % davon waren Mehrlinge. Somit wird jedes zwölfte Kind zu früh geboren. Etwas mehr als 1 % aller Geburten sind Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g, die eine längere, spezialisierte Behandlung benötigen.

Die Ursachen für Frühgeburten sind oft unbekannt, obwohl viele Risikofaktoren bekannt sind. Zu den Risikofaktoren aus einer früheren Schwangerschaft gehören vor allem eine vorherige Frühgeburt und frühere Eingriffe wie Dilatation und Kürettage (Ausschabung) nach Fehlgeburt oder Schwangerschaftsabbruch. In der aktuellen Schwangerschaft erhöhen Faktoren wie ein kurzer Abstand zur vorherigen Schwangerschaft (weniger als sechs Monate), fehlende Schwangerschaftsvorsorge, künstliche Befruchtungsmethoden (z. B. In-vitro-Fertilisation), Mehrlingsschwangerschaften (Zwillinge, Drillinge), extremes Gewicht vor der Schwangerschaft (Untergewicht oder Fettleibigkeit), Unterernährung, Schwangerschaftsdiabetes sowie Infektionen (z. B. Harnwegsinfektionen, sexuell übertragbare Infektionen oder Infektionen der Gebärmutter) das Risiko einer Frühgeburt.

Die Gesundheit der Mutter und ihre persönliche Vorgeschichte spielen ebenfalls eine Rolle. Risikofaktoren sind das Alter der Mutter (jünger als 16 oder älter als 35 Jahre), ethnische Zugehörigkeit (nicht-hispanische schwarze Frauen oder Ureinwohnerinnen Amerikas/Alaskas in den USA), Stress oder fehlende soziale Unterstützung, häusliche Gewalt und Rauchen.

Die Überlebenschancen und die Entwicklungsaussichten von Frühgeborenen haben sich stark verbessert, doch bestimmte Probleme wie Entwicklungsverzögerungen, Zerebralparese, Seh- und Hörprobleme, ADHS und Lernschwierigkeiten treten immer noch häufiger bei Frühgeborenen auf als bei termingerecht geborenen Kindern. Die wichtigsten Faktoren, die die Entwicklung beeinflussen, sind das Geburtsgewicht, der Reifegrad, ob die Mutter vorzeitig Kortikosteroide erhalten hat und Komplikationen nach der Geburt. Auch das Geschlecht des Babys spielt eine Rolle, wobei Mädchen tendenziell eine bessere Prognose haben als Jungen mit dem gleichen Reifegrad. Säuglinge, die vor der 23. Schwangerschaftswoche geboren werden, haben selten Überlebenschancen. Bei Säuglingen zwischen 23. und 24. Woche besteht zwar die Möglichkeit zu überleben, aber die meisten von ihnen haben neurologische Probleme. Die meisten Säuglinge, die nach der 27. Schwangerschaftswoche geboren werden, überleben ohne neurologische Schäden.

Frühgeborene sind wegen ihrer unreifen Organe anfällig für zahlreiche Komplikationen, die mit dem Grad der Unreife steigen und durch Faktoren wie Infektionen, Diabetes, Bluthochdruck oder Präeklampsie bei der Mutter verstärkt werden. Dabei verursacht das Gehirn des Frühgeborenen unregelmäßige Atmung (Frühgeborenenapnoe), Schwierigkeiten beim Saugen und Schlucken sowie ein erhöhtes Risiko für Gehirnblutungen und Entwicklungsverzögerungen. Probleme im Verdauungstrakt und der Leber führen oft zu häufigem Spucken, langsamer Verdauung, Darmschäden (nekrotisierende Enterokolitis) und Gelbsucht (Hyperbilirubinämie). Eingeschränkte Nierenfunktion erschwert die Regulation von Elektrolyten und Wasserhaushalt, was Wachstumsdefizite und metabolische Azidose zur Folge hat. Atembeschwerden und das Atemnotsyndrom (RDS) sind wegen mangelndem Surfactant häufig, und eine bronchopulmonale Dysplasie (BPD)  entwickelt sich. Abnormales Wachstum der Netzhautblutgefäße führt zur Frühgeborenen-Retinopathie und möglicherweise zur Erblindung, während Kurzsichtigkeit und Schielen ebenfalls auftreten.

Frühgeborene haben Schwierigkeiten, ihren Blutzucker und Mineralstoffspiegel zu regulieren, was zu Hypo- oder Hyperglykämie sowie metabolischer Knochenerkrankung und Schilddrüsenunterfunktion führt. Ein persistierender Ductus arteriosus (PDA) belastet das Herz und erfordert möglicherweise Medikamente oder eine Operation. Schließlich regulieren Frühgeborene ihre Körpertemperatur nicht gut, was zu Hypothermie führt. Sie werden daher oft in Inkubatoren oder unter Heizstrahlern warmgehalten.

Regelmäßige Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen, frühzeitige Erkennung und Behandlung von Risikofaktoren sowie die Vermeidung von Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum tragen dazu bei, das Risiko einer Frühgeburt zu verringern. Obwohl nicht alle Risikofaktoren vermieden werden, ist eine gute pränatale Betreuung entscheidend. Schwangere, die Anzeichen vorzeitiger Wehen oder einen Blasensprung bemerken, sollten sofort ihren Arzt aufsuchen, um mögliche Maßnahmen zu besprechen.

Die Behandlung von Frühgeborenen konzentriert sich darauf, Komplikationen individuell zu behandeln, wie Atemprobleme, Infektionen, Anämie und Augenkrankheiten. Eltern sollten häufige Besuche machen und Hautkontakt pflegen. Flauschige Materialien sollten aus der Wiege entfernt werden, um das Risiko des plötzlichen Kindstods zu verringern. Babys werden zunächst intravenös ernährt, bis sie die Nahrung in ihrem Magen vertragen, was zuerst über eine Ernährungssonde und dann oral geschieht. Muttermilch ist das beste Nahrungsmittel für Frühgeborene, da sie das Risiko für nekrotisierende Enterokolitis und Infektionen senkt. Bei Neugeborenen mit sehr geringem Geburtsgewicht kann Muttermilch jedoch arm an einigen Nährstoffen wie Kalzium sein. Daher muss sie möglicherweise mit einer Nährstofflösung angereichert werden. Sehr vorzeitig geborene Babys können Wochen oder Monate auf der Neugeborenen-Intensivstation verbringen. Sie benötigen möglicherweise Beatmung oder spezielle Medikamente. Die Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgt, wenn das Baby ohne besondere Unterstützung essen kann, Gewicht zunimmt, die Körpertemperatur halten kann und keine Atemaussetzer mehr hat. Frühgeborene werden zu Hause sorgfältig überwacht und können bei Bedarf Therapie erhalten.

Zusätzlich werden in der Forschung zahlreiche Untersuchungen durchgeführt, die zum Wohlergehen von Frühgeborenen beitragen sollen. Darunter befinden sich neu entwickelte therapeutische Strategien, um Essfähigkeiten, Nahrungsmittelverträglichkeit und die Fähigkeit zum selbstständigen Trinken zu verbessern. Eine andere Studie beschäftigt sich mit der Eltern-Kind-Interaktion, die besonders wichtig für die sozioemotionale und verhaltensmäßige Entwicklung des Säuglings ist. Dabei soll die Interaktion über den Haut-zu-Haut-Kontakt geschehen. 

Quellen: 

Balest, A. L. (2024). Frühe (vorzeitige) Neugeborene—Gesundheitsprobleme von Kindern. MSD Manual Ausgabe für Patienten. Quelle

Berger, R., Brunck, A., Filsinger, B., Fügenschuh, S., Mader, S., Mitschdörfer, B., & Reuschel, E. (2019). Frühgeburt Was Sie als werdende Eltern wissen sollten Erste Informationen zu einem komplexen Thema. Quelle

Bindt, C. (2022). Frühgeburt: Risiko für die psychische Gesundheit? Psychotherapeut, 67(1), 28–33. Quelle