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Soziale Roboter als Helfer: Neue Wege in der Förderung von Kindern mit Autismus

Frühzeitige, individuell angepasste Therapieansätze sind entscheidend für die Förderung von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Die WHO betont, dass Behinderung nicht allein durch persönliche Einschränkungen entsteht, sondern durch gesellschaftliche Barrieren verstärkt wird. Wenn diese Barrieren - etwa durch technische Hilfsmittel - abgebaut werden, kann die Teilhabe deutlich verbessert werden.

ASS betrifft weltweit etwa 1 von 100 bis 160 Kindern. Der Anstieg der Diagnoseraten liegt vor allem an verbesserten Diagnoseverfahren und einer gestiegenen gesellschaftlichen Sensibilisierung. Kinder mit ASS zeigen oft Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion und reagieren empfindlich auf sensorische Reize. Hier setzen soziale Roboter an: Sie schaffen strukturierte, vorhersehbare Abläufe, was Kindern mit ASS den Zugang zu sozialen Interaktionen erleichtert. In der Therapie fördern sie gezielt soziale, emotionale und kommunikative Fähigkeiten wie Blickkontakt, Imitation oder Emotionserkennung. Dabei sollen Roboter Fachkräfte unterstützen, sie aber keinesfalls ersetzen. Wichtig ist, dass sie einfach zu bedienen und flexibel einsetzbar sind.

Dank Fortschritten in der Künstlichen Intelligenz wächst das Forschungsinteresse an robotergestützter Therapie. Dabei kommen humanoide, tierähnliche oder spielzeugartige Roboter zum Einsatz, etwa NAO, KASPAR, Keepon oder Cozmo. Ihr Einsatz reicht von strukturierter Einzeltherapie bis hin zu spielerischen Gruppensettings. Ein inklusiver Forschungsansatz, bei dem Fachkräfte, Angehörige und Menschen mit ASS gemeinsam Interventionen entwickeln, erweist sich dabei als besonders vielversprechend.

In der Studie von Ghiglino et al. (2021) erhielten 24 Kinder mit ASS im Alter von durchschnittlich 5,8 Jahren ein roboterunterstütztes Training mit dem Spielzeugroboter Cozmo sowie klassische Therapie-in unterschiedlicher Reihenfolge. Die Kombination beider Ansätze führte zu einer signifikanten Verbesserung in der Initiierung sozialer Interaktionen. Auch bei Verhaltensanfragen zeigte sich ein deutlicher Effekt. Die Studie verdeutlicht, dass robotergestützte Interventionen eine sinnvolle Ergänzung etablierter Therapieformen sind.

Huijnen et al. (2017) untersuchten mit Fokusgruppen und Co-Creation-Sitzungen die Anforderungen an robotergestützte Interventionen mit dem Roboter KASPAR. Beteiligt waren Fachleute, Angehörige und Menschen mit ASS. Die Ergebnisse flossen in ein praxisnahes Interventionskonzept ein. Besonders wichtig waren dabei: ein kindgerechtes Design, einfache Bedienung, eine ruhige Umgebung sowie klare Integration in bestehende Förderpläne. Schulungen für Fachkräfte, flexible Einsatzmöglichkeiten und kurze, anpassbare Sitzungen wurden als essenziell hervorgehoben.

Auch andere Studien belegen, dass soziale Roboter die Motivation zur Interaktion steigern. So entwickelten Van den Berk-Smeekens et al. (2020) und François et al. (2017) roboterbasierte Interventionen auf Grundlage der Pivotal Response Treatment (PRT), die selbstinitiierte Interaktionen förderten. Die Kinder nahmen die Therapie gut an und zeigten positive emotionale Reaktionen. Im Bereich der Wahrnehmungsförderung stellte Chen et al. (2020) eine Roboterarchitektur vor, die aus der Egoperspektive agiert – eine Innovation, die soziale Kognition bei Kindern mit ASS verbessern kann. Im motorischen Bereich zeigte der Einsatz des Probo-Roboters laut Palsbo und Hood-Szivek (2012) positive Effekte auf die Handschrift und soziale Selbstständigkeit. Zur sensorischen Förderung lagen keine geeigneten Studien vor.

Auch im Bereich der Diagnostik kann Robotik neue Wege eröffnen. So nutzte Yun et al. (2017) einen papageienähnlichen Roboter für das Screening bei Kindern zwischen 2 und 11 Jahren. Der Roboter fungierte als interaktive Schnittstelle zur Früherkennung von Auffälligkeiten.

Eine systematische Literaturrecherche im Jahr 2023 identifizierte neun geeignete Studien mit insgesamt 186 Kindern (im Alter bis maximal sechs Jahren). Die Studien umfassten verschiedene Roboter:  a) Probo, b) KASPAR, c) NAO, d) RoboParrot, e) Charlie und f) Cozmo (siehe Abbildung). 

Roboter in der Förderung von Autismus bei Kindern  (Gómez-Espinosa et al., 2024)

Die eingesetzten Interventionen reichten von Geschichtenerzählen über soziale Spiele bis hin zu Gestentrainings. Während einige Studien signifikante Verbesserungen zeigten, ergab die einzige RCT im Sample (Zheng et al., 2020), dass robotergestützte Interventionen nicht bei allen Kindern gleichermaßen wirksam sind.

Die technische Ausstattung der Roboter variiert stark: Probo verfügt über 20 Freiheitsgrade im Gesicht, NAO über 25 am gesamten Körper, während Cozmo oder Charlie mit reduzierter, aber kindgerechter Funktionalität arbeiten. Die Bewertung der Roboter orientierte sich an Kriterien wie Mobilität, Ausdrucksfähigkeit, Sensorik und Alltagstauglichkeit. Strukturierte, an das Alter und die individuellen Bedürfnisse angepasste Spiele bildeten den Kern der meisten Interventionen.

Dennoch bestehen Herausforderungen: Zwischen den Erwartungen von Fachkräften und den realen technischen Möglichkeiten klaffen oft Lücken. Hinzu kommen hohe Kosten, unzureichende Schulungsangebote und eine noch ausbaufähige gesellschaftliche Akzeptanz. Zukünftige Entwicklungen sollten auf kostengünstige, wartungsarme Robotermodelle, standardisierte Trainingsprogramme für Fachkräfte und KI-gestützte Personalisierung setzen.

Insgesamt zeigt die aktuelle Forschung: Soziale Roboter bieten großes Potenzial, um Kinder mit ASS in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Entscheidend ist, dass ihr Einsatz individuell, sensibel und durchdacht erfolgt-stets in enger Zusammenarbeit mit den Menschen, um die es geht. 

Quellen: 

Ghiglino, D., Chevalier, P., Floris, F., Priolo, T., & Wykowska, A. (2021). Follow the white robot: Efficacy of robot-assistive training for children with autism spectrum disorder. Research in Autism Spectrum Disorders, 86, 101822. Quelle

Gómez-Espinosa, A., Moreno, J. C., & Pérez-de la Cruz, S. (2024). Assisted Robots in Therapies for Children with Autism in Early Childhood. Sensors (Basel, Switzerland), 24(5), 1503. Quelle

Huijnen, C. A. G. J., Lexis, M. A. S., Jansens, R., & de Witte, L. P. (2017). How to Implement Robots in Interventions for Children with Autism? A Co-creation Study Involving People with Autism, Parents and Professionals. Journal of Autism and Developmental Disorders, 47(10), 3079–3096. Quelle

Salhi, I., Qbadou, M., Gouraguine, S., Mansouri, K., Lytridis, C., & Kaburlasos, V. (2022). Towards Robot-Assisted Therapy for Children With Autism—The Ontological Knowledge Models and Reinforcement Learning-Based Algorithms. Frontiers in Robotics and AI, 9. Quelle